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  • AutorenbildChristian Gersbacher

Max (22) aus Kiew: Eine Ukraine unter russischem Einfluss wäre ein Albtraum für LGBTQ*



In der ukrainischen Hauptstadt Kiew, in der früher rund drei Millionen Menschen lebten, wirkt es aktuell fast schon gespenstisch. Kaum Verkehr. Nur wenige Menschen sind unterwegs.

Viele sind in Nachbarländer geflohen, andere sind geblieben. Darunter auch Max (22), der in einem Vorort von Kiew lebt und sich für die LGBTQ*-Organisation Kyiv Pride engagiert.


Unseren ersten Interviewtermin mussten wir aufgrund eines Raketenalarm verschieben. Immer wieder heulen die Sirenen auf und im Norden der Stadt sieht man eine schwarze Rauchsäule aufsteigen. ,,Ich bin geblieben und möchte unser Land verteidigen und humanitäre Hilfe leisten", sagt Max. Der 22-jährige wirkt bei unserem Zoom Interview trotz der angespannten Lage ruhig und gefasst. Vor dem Beginn der russischen Angriffen

am 24. Februar war Kiew eine blühende Stadt. Aktuell gilt ab 20 bis 8 Uhr morgens eine Ausgangssperre. Menschen verbringen die Nächte in Metrostationen oder in den Kellern oder Tiefgaragen ihrer Wohnhäuser. Nur noch Supermärkte und Apotheken sind tagsüber geöffnet. Teilweise muss man über zwei Stunde vor den Geschäften anstehen, da immer nur eine Person das Geschäft betreten darf. Maximal zwei Brote pro Haushalt darf man kaufen. Auch auf andere Lebensmittel gibt es Beschränkungen, Obst und Gemüse gibt es so gut wie nicht mehr.


Queere Menschen haben große Angst um ihre Zukunft

„Vor der russischen Invasion war Kiew für viele queere Menschen ein sicherer Zufluchtsort geworden.“, schildert Max. Gerade aus den besetzen Gebieten im Donbas, in denen queere Menschen in den letzen Jahre starke Repressionen erleben mussten, sind viele nach Kiew geflohen. Ich weiß genau, wie Russland mit queeren Menschen umgeht, sagt der 22-jährige. Von Putins sogenanntem Gay Propaganda Gesetz, das jegliche Erwähnung von LGBTQ* Themen in der Öffentlichkeit verbietet, bis hin zu den schrecklichen Zuständen in der russischen Republik Tschetschenien, wo schwule Männer inhaftiert, gefoltert und ermordet wurden. Eine Ukraine unter russischem Einfluss wäre ein Albtraum für die LGBTQ* Community. Russland hat eine Liste von Journalisten und LGBTQ*-Aktivist*innen, die nach dem Einmarsch in die Ukraine "getötet" oder "in Lager geschickt" werden könnten, heißt es in einem Brief einer US-Botschafterin an die UN. Mehr über die Situation von LGBTQ* in Russland in meinem Artikel: Queeres Leben in Russland: Die verlorene Freiheit.


Fotos: Stanislav Senyk


Die ukrainische LGBTQ* Community war auf einem guten Weg

In Kiew gab es erste queere Partys und in immer mehr Städten den jährlichen Pride-March. Wir waren auf einem guten Weg, erinnert sich Max.

Vor der russischen Invasion gab es Diskussionen über die Einführung der gleichgeschlechtliche Ehe und entsprechenden Antidiskriminierungsgesetzen im ukrainische Parlament. Präsident Selenskyj hat die Kiew Pride jedes Jahr unterstützt.

Wir als queer Menschen haben jetzt große Angst um unsere Rechte, wenn Russland die Kontrolle über die Ukraine übernehmen sollte.

Demonstration in Kiew, Foto: Kyiv Pride


LGBTQ* Organisationen richtet Notunterkünfte ein und verteilt Essen

Die Kyiv Pride und viele andere ukrainische LGBTQ* Organisationen haben in der gesamten Ukraine ihre Community-Zentren in Notunterkünfte umgewandelt, die von lokalen Aktivist*innen organisiert wurden. Diese Unterkünfte bieten Essen, einen Platz zum schlafen und eine Gemeinschaft in Zeiten des Krieges. Aktuell verteilt Kyiv Pride alle ihre Spenden an ihre lokalen Unterkünfte und bedürftige queere Menschen. Darüber hinaus hat die Kyiv Pride eine Datenbank mit Gastgeber*innen erstellt, die ihre Wohnungen für Flüchtlinge anbieten.


Hauptbahnhof in Kiew, Foto: Stanislav Senyk


Trans* Personen droht die Verpflichtung im Militärdienst

Seit der Anordnung der Generalmobilisierung, dürfen männlich identifizierte Personen zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine nicht mehr verlassen, um zum Militär eingezogen werden zu können. Viele schwule und bisexuelle Männer und Trans* Personen befürchten Anfeindungen und Diskrimierung innerhalb des Militärs.


Falsch ausgestellte Ausweise machen das Leben von Trans*-Personen noch schwieriger.

Viele Trans*-Frauen haben immer noch einen Pass, der sie fälschlicherweise als männlich ausweist, da die Verfahren zur Änderung in der Ukranie sehr langjährig und kompliziert sind. Viele Trans*frauen befürchten, zum Militärdienst verpflichtet werden, wenn sie versuchen, die Grenze zu überqueren. Kyiv Pride wie auch die NGO Cohort arbeiten jedoch Tag und Nacht daran, dieses Probleme zu lösen – und versuchen, alle eingehenden Fragen von Trans* Personen zu beantworten.

In Gebieten um Charkiw, Tschernihiw, Cherson und Mariupol ist die Situation für die Menschen gerade besonders schlimm. Durch die russischen Angriffe wurden wichtige Versorgungseinheiten zerstört. Die Menschen dort haben keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung und kein Internet, sagt Max. Gerade hier ist die Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln gerade sehr wichtig. Wir bemühen uns so gut es geht, dass auch Trans* Personen dort mit den für sie notwenigen Hormonen versorgt werden können. Die Versorgung mit Medikamenten ist auch allgemein z.B. auch für Menschen mit Diabetes in diesen Gebiete gerade nicht einfach.
























Menschen mit ihren Haustieren auf der Flucht, Foto: Stanislav Senyk


Dont’t be silent, because silce can kill

Für uns ist sehr wichtig, dass wir weiter über die Situation in der Ukraine öffentlich aufklären und berichten können. Wir dürfen jetzt nicht still sein. Niemand darf wegschauen, was Putin mit den Menschen in der Ukranie macht, fordert Max.

Es freut mich zu sehen, wie viele Menschen in Deutschland und Europa gerade gegen Putins Krieg auf die Straßen gehen und demonstrieren. Es geht bei diesem Krieg nicht nur um die Ukraine, sondern um den Erhalt der Demokratie und Freiheit in ganz Europa. Putin hat nun sein wahres Gesicht gezeigt. Ich hoffe, dass jetzt auch die Menschen, die ihn bisher noch unterstütz haben, aufwachen und Russland es schafft Putin eines Tages zu überwinden.


Überfüllte Züge am Hauptbahnhof in Kiew, Foto: Stanislav Senyk


Aktuelle Einblicke aus Kiew gibt es in der Fotoreihe ,,Kiew hautnah".


Mehr über die Situation von LGBTQ* in Russland erfährst du in meinem Artikel: Queeres Leben in Russland: Die verlorene Freiheit.















Ukrainische LGBTQ* Organisationen auf Instagram:

Kyiv Pride - LGBTQ* Organisation mit Sitz in Kiew

DonbasQueer - LGBTQ* Organisation in Bakhmut

Gender Z - human rights organisation, in Zaporizhzhia

LGBTQI Militaries - Organisation für LGBTQ* Angehörige beim Militär


Hinweis: Sowohl ich als euch meine Interviewpartner*innen arbeiten unentgeltlich und stellen euch diese Information kostenfrei zur Verfügung. Wir wollen aufklären und informieren, aber vor allem eins: Frieden! Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, spende gerne einen kleinen Beitrag and die Queere Nothilfe Ukraine.

Mehr spannende Interview und Berichte aus Osteuropa gibt es hier.



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