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  • AutorenbildChristian Gersbacher

LGBTQ* Politik Europa: Ein Tabubruch für Menschenrechte


Es geht um Grundwerte und deren unterschiedliche Interpretation in West- und Osteuropa.

Für welche Werte möchte ein Europa der Zukunft und seine Mitgliedsstaaten in Zukunft stehen? Die Einführung des umstritten Anti-LGBTQ* Gesetz in Ungarn, LGBTQ* freie Zonen in Polen und der Anstieg von Hasskriminalität gegenüber LGBTQ* um 36 % in Deutschland:

Das Jahr 2020 war von einigen Rückschlägen für die LGBTQ* Community geprägt.

Aus dem Jahresbericht der Nichtregierungsorganisation „ILGA Europe“ geht hervor, dass Anfeindungen und Hass gegenüber queeren Personen deutlich zugenommen haben. LGBTQ*-Personen werden immer mehr zum politischen Sündenbock gemacht , sagte ILGA-Europe-Chefin Evelyne Paradis.

43 Prozent der Befragten queeren Menschen in Europa gaben an, im Jahr 2020 mit Diskriminierung konfrontiert gewesen zu sein, im Vergleich zu 37 Prozent im Jahr 2019. Bei Trans* Personen sind es sogar bis zu 60 Prozent.

Quelle: Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte


Ende Oktober bejubeln Mitglieder der rechtspopulistischen Parteien im italienischen Senat das Scheitern des Gesetzentwurf zum besseren Schutz von LGBTQ* vor Diskrimierung und Gewalt. In Polen haben sich Städte zu selbsternannten „LGBTQ*-freie Zonen“ erklärt. Vor wenigen Wochen hat das polnische Parlament für den Gesetzentwurf 'Stop LGBTQ* Propaganda' gestimmt. Sollte das Gesetz in Kraft treten, dürfte sich die bereits angespannte Lage für queere Menschen in Polen weiterhin verschlechtern.


Eine Einschränkung der Grundrechte, die in der EU lange für unmöglich gehalten wurde

Der Gesetzesentwurf in Polen ist ein Tabubruch für ganz Europa und bedeutet eine Einschränkung der Grundrechte in einer Art und Weise, die in der EU lange für unmöglich gehalten wurde. Die Regelung sieht quasi ein “Werbeverbot” für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt vor. Queere Menschen dürften auf Demos öffentlich also nicht mehr für ihre Rechte kämpfen, Pride-Paraden wären verboten. Das Gesetz käme also de facto einem Demonstrationsverbot gleich. Die polnische Anti-LGBTQ* Rhetorik zeigt auch ihre Auswirkung auf das Stimmungsbild in der polnischen Gesellschaft. In einer im Jahr 2019 durchgeführten Umfrage der OKO.Press in Polen wurden Bürger*innen befragt, was sie für die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts halten. Zur Auswahl standen Optionen wie die Klimakrise, demographischer Wandel usw. Die meistgewählte Option (31 %) bei den Männer zwischen 18-40 Jahren war die 'LGBTQ*- Bewegung' und die 'Gender Ideologie'.


Ein absurdes Gesetz unter dem Denkmantel ,,Schutz von Familien und Kindern“

Die konservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán verfolgt seit Jahren eine Anti-LGBTQ* Politik. Unter dem Denkmantel ,,Schutz von Familien und Kindern vor Pädophilie“führte die ungarische Regierung dieses Jahr ein Gesetz ein, dass die Aufklärung über queere Menschen und ihre Darstellung in Schulen und Medien größtenteils einschränken soll. Diese Gesetz ist nicht nur ein massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit, sondern auch schlichtweg wissenschaftlich völlig absurd. Gerade die Aufklärung ist für den Abbau von Vorurteilen gegenüber marginalisierten Gruppen besondern wichtig. Das neue Gesetz ist stark von der homophoben Gesetzgebung in Russland inspiriert und wir politisch instrumentalisiert, um Eigenständigkeit und Stärke gegenüber westlichen Werten zu demonstrieren.


Mehr als jede dritte queere Person in Deutschland erlitt schon Schikanen

Die Straftaten von Hasskriminalität gegenüber LGBTQ* nehmen in Deutschland immer weiter zu. Vor jeder Umarmung oder einem Kuss in der Öffentlichkeit die Umgebung zu prüfen oder bestimmte Orte zu meiden - das ist für queere Menschen eine erhebliche Einschränkung der persönlichen Freiheit. Obwohl dieser Anstieg seit Jahren bekannt ist, wurde er größtenteils ignoriert und unsichtbar gemacht. Alle wichtigen Gesetze zur Stärkung der Rechte von queeren Menschen wurden in der letzen Legislaturperiode abgelehnt. Das die Große Koalition die Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung Art. 3 GG durch die Ergänzung des Merkmals der sexuellen Identität in der letzen Legislaturperiode verhindert hat, war ein schwerer Rückschlag für ein offenes und tolerantes Deutschland der Zukunft. Queere Menschen sind die einzige verfolgte Gruppe des Nationalsozialismus, deren Rechte über 70 Jahre später immer noch nicht im Grundgesetz festgelegt sind.


Diskrimierung schadet unserer gesamten Gesellschaft und kostet uns jährlich Milliarden

Wenn Vorurteilen gegenüber Gruppen in großen Maßstäben in Medien verbreitet werden, können diese sehr gefährlich werden. Dann besteht die Gefahr, dass immer mehr Menschen daran glauben. Vor allem, wenn nicht genug Widerspruch entgegengebracht wird. Die Geschichte hat deutlich gezeigt, wohin es führen kann, wenn Vorurteile verbreitet werden. Wenn z.B. Politiker damit Stimmen gewinnen, oder wenn eine Regierung auf der Grundlage von Vorurteilen Gesetze gegen eine bestimmte Gruppe erläßt. Dies führt dazu, dass Menschen ausgegrenzt und verfolgt werden. Und dann sind Vorurteile im großen Maße lebensbedrohlich. Wir müssen uns den schädlichen Wirkung von Diskrimierung und der Verletzung der Rechte von LGBTQ* bewusst werden und dieser jetzt entschieden und nachhaltig entgegenwirken.

Der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel sagte einmal

,,Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

Wir dürfen nicht zusehen, wenn die Würde und die Meinungsfreiheit von Menschen vor unserer Haustür verletzt wird, auch nicht die von queeren Menschen!



[1] European Union Agency for Fundamental Rights, ‚’A long way to gofer LGBTI equality“, 2020

[2] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Bundeskriminalamt, Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2020, Bundesweite Fallzahlen, Mai 2021. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2021/05/pmk-2020-bundesweite-fallzahlen.pdf?__blob=publicationFile&v=4


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